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"Rumänien-Projekt bleibt für Azubis unvergesslich"

Hat schon zahlreiche Zimmerer-Azubis im ÜBA München ausgebildet: Wolfgang Weigl (Mitte). Seit rund zehn Jahren begleitet er ein Ausbildungsprojekt in Siebenbürgen.

Kutschen holpern über schlechte Straße, Schafherden grasen auf Weiden und es gibt „keinen oder kaum Handyempfang“, erzählt Zimmermeister und Ausbilder am Überbetrieblichen Ausbildungszentrum (ÜBA) München, Wolfgang Weigl: „Das Leben im rumänischen Martinsdorf ist wie bei uns vor etwa hundert Jahren.“

Seit zehn Jahren fährt er einmal im Jahr mit rund 20 Zimmerer-Azubis nach Siebenbürgen, um zusammen mit Lehrlingen aus anderen Gewerken Kirchenburgen zu sanieren und damit vor dem sicheren Verfall zu bewahren.

"Ausbildungsprojekte im Ausland können kleine Walz sein!"

Heuer musste die Fahrt coronabedingt ausfallen, doch die nächste Exkursion im Frühjahr 2021 ist schon in Planung. Denn Weigl ist überzeugt: „Das in Rumänien Erlebte, sowohl fachlich als auch sozial, vergessen die Lehrlinge ihr ganzes Leben nicht mehr.“

Er plädiert dafür, noch weitere Ausbildungsprojekte im Ausland ins Leben zu rufen: „Weil sie den Horizont deutlich erweitern, den europäischen Grundgedanken fördern und quasi eine kleine Walz sein können! Denkbar wäre zum Beispiel ein Projekt in Skandinavien, weil man dort vom Holzbau her genau auf unserer Wellenlänge schwimmt.“

In Rumänien dagegen sei oft Improvisationstalent gefragt: „Da fehlt des Öfteren das geeignete Material und wir haben schon Gerüste aus Holz gebaut – wie bei uns in den 70er Jahren. Die Unfallverhütungsvorschriften müssen natürlich vorbildlich eingehalten werden“

"Das Schlimmste für die meisten ist, dass sie keinen oder kaum Handyempfang haben“

Zusätzlich legen die Azubis in Siebenbürgen ihre Gewohnheiten aus dem „Hotel Mama“ ab: „Es gibt wenig Strom und beim Duschen nicht immer warmes Wasser. Einmal in drei Wochen muss jeder mal Küchen- und Ordnungsdienst machen. Aber das Schlimmste für die meisten ist, dass sie keinen oder kaum Handyempfang haben“, lacht Weigl. Die Situation wird natürlich von Jahr zu Jahr besser.

Azubis aus verschiedenen Gewerken arbeiten zusammen, um Kirchenburgen zu sanieren.

Doch das Rumänien-Projekt hinterlässt seine Spuren. Nach der Rückkehr kommen oft Firmenchefs auf Weigl zu und berichten erstaunt über ihren Azubi: „Vorher war er ein schüchterner Bub. Jetzt weiß er, wie man hinlangen muss - sagen sie dann zu mir.“

Zudem lernen die Auszubildenden bei dem EU-Projekt die einheimische Bevölkerung und deren Kultur kennen: „In Martinsdorf gibt es einige ältere Damen, die uns – insgesamt etwa 60 Handwerker - mit der siebenbürgischen Küche verwöhnen.“

Weigl erzählt: „Die wenigen Dorfbewohner, die nicht ausgewandert sind, freuen sich sehr, dass mit uns wieder Leben in ihr Dorf reinkommt.“ Denn die meisten ihrer ehemaligen Mitbürger flüchteten einst vor dem rumänischen Diktator Nicolae Ceaușescu - vor allem nach Deutschland. Weigl fügt hinzu: „Die Frauen sind froh, wenn wir zum Beispiel die feuchten Kirchenräume renovieren."

Deshalb hofft er, dass das Rumänien-Projekt im kommenden Frühjahr wieder stattfinden kann. Bis dahin trainiert er mit seinen Azubis die Zimmerer-Praxis. Er hat immer ein offenes Ohr für seine Schüler. Einige kämen auch nach der Ausbildung wieder auf ihn zu, um sich Rat zu holen. Er hilft auch bei einer Stellensuche weiter.

Wie gelingt es, junge Mitarbeiter langfristig an einen Holzbaubetrieb zu binden?

Um Mitarbeiter langfristig an einen Holzbaubetrieb zu binden, hat Weigl einige Hinweise: „Man könnte die Teilnahme am Rumänienprojekt als Auszeichnung für einen fleißigen Lehrling einsetzen oder sogar damit werben, dass solch reizvolle Praktika während der Ausbildung im Betrieb angeboten werden.“

Grundsätzlich empfiehlt er, jeden Monat eine Besprechung mit allen Mitarbeitern zu machen, um zeitnah zu klären, was gut und weniger gut gelaufen ist - idealerweise mit einer Brotzeit, spendiert vom Chef.

Und einmal im Jahr sollte das Team einen Ausflug machen, zum Beispiel auf eine Fachmesse, Volksfeste oder ins Freilichtmuseum Glentleiten, in letzterem gäbe es für Zimmerer viel zu sehen! Das alles verbindet die Mitarbeiter und festigt den betrieblichen Zusammenhalt.

Vielen Zimmerer-Azubis vom Überbetrieblichen Ausbildungszentrum München bleibt das Projekt in Siebenbürgen lange in Erinnerung.

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